Verlauf

Eine gewisse Skoliosefehlhaltung (Krümmungen bis 10° Cobb) und geringe Skoliosen sind häufig, es gibt bisher jedoch keine Möglichkeit vorherzusagen, welche dieser Krümmungen im Wachstum fortschreiten werden.

Das Fortschreiten (die Progression) der Krümmung verhält sich direkt proportional zum Wirbelsäulenwachstum. Dementsprechend schreiten Krümmungen während der ersten 5 Lebensjahre sowie während der pubertären Wachstumsschübe (zwischen 11 und 15 Jahren) schnell fort. Die zwischen dem 5. und 10. Lebensjahr aufgetretenen juvenilen Skoliosen können dagegen bis zum Eintritt der Pubertät lange Zeit stabil bleiben.

Die Prognose ist von der sogenannten Wachstumsreserve (dem noch bevorstehenden Wachstum) abhängig. Je früher eine Skoliose auftritt, umso größer ist die Wahrscheinlichkeit einer während des noch bevorstehenden Wachstums eintretenden Verschlechterung. Deshalb haben infantile Skoliosen, die bis zum 4. Lebensjahr aufgetreten sind, und juvenile Skoliosen (mit einem Auftreten bis zum 10. Lebensjahr) eine deutlich schlechtere Prognose als Adoleszentenskoliosen, die erst im präpubertären (vorpubertären) Wachstumsschub ab dem 11. Lebensjahr entstehen und damit das geringste Restwachstum vor sich haben, in dem sie sich noch verschlechtern können.

Während des pubertären Wachstumsschubes kommt es sehr häufig zur unerwarteten und schnellen Progression. Innerhalb weniger Monate erreichen Skoliosen dann nicht selten ein Ausmaß, welches eine Operation erforderlich macht. Vielen Eltern und Behandlern unterläuft an dieser Stelle bei Skoliosen, die vor der Pubertät aufgetreten sind und sich über längere Zeit kaum verschlechtert haben, eine Fehleinschätzung, so dass diese Skoliosen zum Eintritt der Pubertät nicht mehr ärztlich überwacht oder für die zu erwartende Progredienz therapeutisch unzureichend versorgt sind. Im zeitlichen Verlauf der Skelettentwicklung zeigen sich nur 5 % der juvenilen Skoliosen nicht progredient. Die übrigen nehmen bis zum Erreichen des 10. Lebensjahres jährlich um etwa 1-5° Cobb zu, nach Abschluss des 10. Lebensjahres, während des pubertären Wachstumsschubes, um 5-10° Cobb pro Jahr. Innerhalb eines halben Jahres können sie jedoch auch um bis zu über 40° Cobb zunehmen.

Auch nach Wachstumsabschluss kann es bei stärker ausgeprägten unbehandelten Skoliosen durch Abbauvorgänge im Bandscheiben- oder Wirbelkörperbereich infolge krümmungsbedingter einseitiger Belastungen zu weiteren Verschlechterungen kommen. Bei Skoliosen bis 30° Cobb ist bis zum Eintreten der Wechseljahre in der Regel mit keiner weiteren Verschlechterung zu rechnen. Skoliosen zwischen 30° und 60° Cobb können ebenfalls stabil bleiben, jedoch auch bis zu maximal 1° Cobb pro Jahr weiter fortschreiten. Bei Skoliosen mit Ausgangsgradzahlen zwischen 60° und 80° Cobb ist dagegen damit zu rechnen, dass diese auch nach Wachstumsabschluss weiter fortschreiten werden, wenn sie unbehandelt bleiben. Hier ist mit einer Verschlechterung zwischen 0,5° Cobb bis ebenfalls maximal 1° Cobb pro Jahr zu rechnen. Skoliosen ab 80° Cobb verschlechtern sich nach Wachstumsabschluss dagegen meistens nur noch geringfügig, da der ab dieser Krümmungsstärke beginnende Raummangel im Rumpf einem weiteren Zusammensinken der Wirbelsäule entgegenwirkt.9 Diese Progressionsbegrenzung gilt jedoch nur für Skoliosen im Erwachsenenalter, nicht für Skoliosen im Wachstumsalter, die Krümmungen bis zu Stärken von 160° bis 180° Cobb entwickeln können.

Bei schwerstgradigen Skoliosen drohen erhebliche Einschränkungen der Vitalkapazität und damit eine Überlastung des Herz-Lungen-Kreislaufes sowie ein Cor pulmonale mit Einschränkungen der Lebensqualität und der Lebenserwartung. Einschränkungen dieser Art beginnen erst ab Krümmungswinkeln größer 80-90° Cobb. 10

Insbesondere die Entwicklung eines Rippenbuckels und Lendenwulstes stellen oft ein kosmetisches Problem dar. Rückenschmerzen treten im Wesentlichen bei Patienten mit lumbalen und thorakolumbalen Skoliosen sowie dekompensierten Skoliosen auf. Bei Patienten mit thorakalen Skoliosen besteht meist keine oder eine geringgradig ausgeprägte Schmerzsymptomatik. Mit dem Auftreten von Lähmungen ist bei Idiopathischen Skoliosen nicht zu rechnen, diese treten in der Regel nur bei kongenitalen oder anderen sekundären Skoliosen auf. 11 12

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